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Rainer Benz gelingt die Gratwanderung, virtuelle Bilder in klassischer Maltechnik darzustellen

Von Ingrid Zimmermann

Photos, Laserprints und Acrylbilder zeigt die „Galerie Schmiede“ in Aying bis zum 25. September. In seinen Landschaften und Bildern zeigt der Künstler die Grenzen der Wirklichkeit.
Aying - Zumindest für Kinder und einsame Menschen, die abends keine „Ansprache“ haben, ist das Bild auf der Mattscheibe des Fernsehers die Wirklichkeit. Auch für den Computerfreak, der über E-mail und Datenautobahnen sein Bild der Welt erfaßt oder sein Handeln in virtuelle Realitätsebenen verlegt, ist die Lebenswirklichkeit nicht immer nur aus Fleisch und Blut. Doch was heißt das, Fleisch und Blut? Nichts anderes als ein Gewebe von Schwingungsbewegungen von Teilchen, die, vergrößert man ihr Bild nur gehörig, sich im leeren Raum zu tummeln scheinen. Für einen Künstler, schaut er nicht degoutiert beiseite ob der modernen Technik, steckt darin ein ganzer Kosmos von Herausforderungen.
Rainer Benz, 41, von 1973 bis 1978 Student an der renommierten Karlsruher Akademie der Bildenden Künste und mittlerweile Kunstpädagoge für den Broterwerb, hat keinen Bogen um experimentelle Photographie, Computer, Rasterzerlegung und Laserdruck geschlagen.
Gleichzeitig blieb er jedoch den klassischen Maltechniken, darunter der Acrylmalerei, verbunden. In München, Paris und Karlsruhe hatte er eine Reihe von Ausstellungen, bei denen er zeigen konnte, was bei solchen Gratwanderungen herauskommen kann.
Daß das Ergebnis durchaus reizvoll ist, demonstriert eine kleine Ausstellung mit Arbeiten von Rainer Benz in der Galerie Schmiede in Aying. Zu sehen sind Photographien, Laserprints, Acrylbilder und eine Ätzradierung, die sehr gut demonstriert, wie der Künstler versucht, Form und Bewegung auf der zweidimensionalen Ebene zu einer Bildaussage zu verschmelzen. Es ist ein Doppelakt, bei dem die zwei Figuren sozusagen miteinander in dynamischer Korrespondenz stehen.
Vergleichsweise harmlos präsentieren sich großformatige Acrylbilder, die „Blaue und rote Strukturen“, „Auflösung“ oder „Meereslandschaft, Kreis“ heißen. Kurze Pinselstriche, in der Art der Pixel von Computerbildern aneinander und übereinander gelagert, ergeben Landschaften in Blau-, Rot-, Weiß- und auch Schwarzschattierungen, die noch deutlich Strukturen wahrnehmen lassen.
Das Schwirren des Bildschirms, mittlerweile, dank ausgereifter Technik, vom Auge kaum noch wahrnehmbar, ist Bestandteil der Essenz der Bilder. Nicht das Feste, Verläßliche, der Landschaft vor unseren Augen, wird betont, sondern deren inneres Wesen, die Schwingung.
Die Serie der „Anonymen Porträts“ führen vollends hin zu der Frage, was denn nun Wirklichkeit sei. Schon in Pinselstriche zerlegt, aber noch mit der deutlich wahrnehmbaren Botschaft, daß es sich um eine Dame in freundlich-gelassener Pose handelt, präsentiert sich das „Porträt Nr. 1“. In den folgenden sieben Arbeiten durchläuft die Büste einen erschreckenden Auflösungsprozeß. Der Ausdruck wird primitiver, ja brutal. Das letzte Porträt hat längst kein Gesicht mehr, sondern läßt an ein aufgequollenes Monster denken. Die Technik der Bildzerlegung und die Farben haben sich wenig geändert, so daß die ästhetische Komponente erhalten bleibt. So kann sich eine Assoziation einstellen: Unser braver bunter Bildschirm, der dennoch täglich mißbraucht wird, um die Resultate von Gemetzeln zu zeigen, in denen der Mensch im doppelten Sinn sein Gesicht verliert.
Die Ausstellung kann bis 25. September von Mittwoch bis Freitag von 15 bis 18 Uhr und am Sonntag von 13 bis 17 Uhr besichtigt werden.

Süddeutsche Zeitung
Neueste Nachrichten
Lokalteil der Süddeutschen Zeitung für den Landkreis München,
13. September 1994


Das Spiel mit den Sehgewohnheiten des Betrachters

Margit Brehm

Das Liberale Zentrum Karlsruhe zeigt eine Ausstellung mit Fotografien und Grafik des Karlsruher Kunsterziehers Rainer Benz. Zur Eröffnung las auf Wunsch des Künstlers, der selbst anwesend war, die Karlsruher Lyrikerin Regine Kress-Fricke aus eigenen Texten.
Rainer Benz, der 1953 in Karlsruhe geboren wurde, hier die Kunsthochschule besuchte und jetzt im Raum Karlsruhe als Kunsterzieher tätig ist, hat bereits an mehreren Gruppenausstellungen im In- und Ausland teilgenommen. Bei seinen Fotografien arbeitet Rainer Benz nicht mit traditionellen Gestaltungsmitteln und irritiert so die Sehgewohnheiten des Betrachters, der ein möglichst scharfes, feinkörniges Bild erwartet.
Sein Ziel aber ist es gerade nicht, durch optimale Schärfe eine Momentaufnahme möglichst realitätsnah abzubilden, sondern er versucht, durch Langzeitbelichtungen Bewegungsabläufe einzufangen, die dem Auge in ihrer Simultanität und Abfolge verborgen bleiben.
Der Versuch, in die Fotografie eine zeitliche Dimension hineinzubringen, führt zu verblüffenden Wirkungen. Die Fotografien von Rainer Benz zeigen wie sich begrenzte Materie auflöst und in verschiedene Grauwerte verschwimmt.
Zwei Motivkreise in ihren Variationen sind in der Ausstellung zu sehen. In einem zeigt der Künstler eine Treppe, auf der Menschen sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen und variiert damit ein traditionelles Thema, mit dem sich Künstler wie Oskar Schlemmer auseinandersetzten.
Der Reiz dieser Bilder liegt in der Spannung zwischen der toten Materie, der Treppe, die scharf im Bild zu erkennen ist, und den sich verflüchtigenden Abbildungen der Menschen, die von der Undeutlichkeit bis zur absoluten Diffusität verschwimmen.
In der zweiten Serie steht der weibliche Körper im Mittelpunkt. Durch genaues Hinsehen kann der Betrachter die weiblichen Formen erkennen, die zunächst, da sie in einem Bewegungsablauf festgehalten sind, fast abstrakt erscheinen.
Auch die grafischen Arbeiten des Künstlers - ausgestellt sind Radierungen und Federzeichnungen - entwickeln sich aus der Fotografie. Benz versucht hier, die Grauwerte durch haarfeine Striche in grafische Medium umzusetzen. Je näher man diesen Bildern kommt, desto mehr lösen sie sich auf, doch was aus der Nähe wie eine abstrakte Grauwertstudie erscheint, entpuppt sich aus ein paar Schritten Entfernung als das Bild einer Frau. Das Spiel, das dabei mit unseren Sehgewohnheiten getrieben, die Auflösung beim „Näher-Hinsehen“ ist es, was diese Ausstellung reizvoll macht (bis 18. 2.).

Badische Neueste Nachrichten,
Januar 1986